Eine weitere Methode, mit Druck, Angst oder Schmerz umzugehen, besteht in der Möglichkeit, diese Gefühle zu „personifizieren“. Ich nenne das jetzt einfach mal so;).
Damit meine ich, mir das entsprechende Gefühl, wenn ich es habe, quasi als „Person“ vorzustellen, neben mich zu setzen und mit dieser Person zu kommunizieren. Das klingt möglicherweise erst einmal etwas seltsam, kann aber hilfreich sein, wenn man ein eher verkopfter Mensch ist, man mit dem „Atmen“ (wie in Teil 1 beschrieben) nichts anfangen kann oder wenn man einfach mal einen kreativen Umgang mit seinen „schwierigeren“ Gefühlen ausprobieren möchte.
Mein Beispiel
Irgendwann als Kind hatte ich eine Phase, in der ich einige Alpträume hatte. Ich kann mich an die Träume nicht mehr genau erinnern – ich weiss nur noch, dass ich am Ende dieser Träume oft vor irgendetwas davon gelaufen bin. Ich glaube, es war eine Art Gestalt, die mir Angst machte. Ich erzählte meiner Mutter von diesen Träumen, und sie gab mir den Rat, irgendwann, wenn ich genug hätte vom Davonlaufen, doch einfach mal auszuprobieren, was passieren würde, wenn ich einfach stehen bliebe und die Gestalt ansprechen würde – sie fragte, warum sie hinter mir her lief und was sie wolle. Sie riet mir also, mit meinen Ängsten zu kommunizieren und somit herauszufinden, was diese Ängste mir sagen wollen bzw., weshalb sie da sind.
Und ich erinnere mich daran, dass ich es eines Nachts schaffte, mich umzudrehen, der Gestalt (meiner Angst) ins Gesicht zu blicken und sie zu fragen, was sie denn von mir will. Ich weiss zwar nicht mehr, wie ihre Antwort ausfiel. Aber diese „Methode“ meiner Mutter hat anscheinend einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen, denn sie blieb mir im Gedächtnis und ich habe sie in den letzten Jahren öfter angewendet, um einmal einen etwas anderen Zugang zu meinen Gefühlen zu bekommen.
Warum haben wir diese „schwierigen“ Gefühle?
Solche Gefühle haben wir nicht ohne Grund. Aus evolutionärer Sicht betrachtet brauchten wir zum Beispiel gerade die Angst, um uns bei Gefahr leicht in Bewegung setzen zu können und damit unser Überleben zu sichern (zB ein Säbelzahntiger begegnet uns am Wasserloch, wir haben Angst, unser Gehirn produziert Adrenalin, welches es uns ermöglicht, uns in Bewegung zu setzen, und somit enden wir nicht als Mittagessen;)). Heutztage müssen wir vor keinen Säbelzahntigern mehr davon laufen (zumindest hier in der westlichen Welt nicht) – und haben trotzdem noch Angst.
Die Gründe für unsere Ängste sind vielfältig, und ich will sie hier nicht aufzählen. Jeder Mensch hat vor irgend etwas Angst. Ich glaube auch nicht, dass es möglich oder sinnvoll wäre, komplett angstfrei zu sein. Wir sind nun mal Menschen, die sich in der Dualität, auf der Erde, ausprobieren. Die Angst gehört ein Stück weit zu uns – es kommt nur darauf an, wie wir mit ihr umgehen.
Der Angst nicht die Zügel überlassen
ABER...Wir müssen unserer Angst nicht die Zügel überlassen. Wir müssen uns von ihr nicht leiten und lenken lassen. Wer sagte einmal „Angst ist ein schlechter Ratgeber?“… Das denke ich auch. Für mich ist die Angst eher ein Wegweiser, wie jedes andere Gefühl auch. Was will sie mir sagen? Das gilt es, herauszufinden. Denn die Angst ist nur mächtig und zerstörerisch, so lange sie unerkannt ist, und irgendwo in unserem Unterbewusstsein wüten kann, ohne dass wir uns bewusst sind, was da vor sich geht. Für mich geht es also vielmehr darum, unser Bewusstsein zu vergrößern. Erst einmal wahrzunehmen, wann die Angst da ist (in welchen Momenten), und dann herauszufinden, warum sie da ist. Wenn ich das herausgefunden habe, und sie einfach fühlen kann, muss ich meist weiter nicht viel tun – denn dadurch, dass ich ihr erlaube, da zu sein, ohne mich von einem Weg abzuhalten, den ich gehen will, verliert sie meist von selbst irgendwann das Interesse…:)).
Kurzes Zwiegespräch mit der Angst
Das könnte zB so aussehen: Ich befinde mich in irgendeiner Situation, in der ich meistens Angst habe. Ich spüre, wie ich Angst bekomme, dass sich die Angst nähert und dann da ist. Ich kann sie begrüßen, wie einen alten Freund – denn sie ist mir vielleicht ebenso vertraut. „Ach Hallo Angst, da bist Du ja mal wieder. Na, wie geht’s Dir denn so? Setz Dich doch mal neben mich, damit wir uns unterhalten können.:)
„Hilfe, wieso sprichst Du mich an? Lass mich in Ruhe, ich will lieber wieder alleine im Dunkeln weiter arbeiten, ohne dass du mich siehst.“
„Alleine im Dunkeln weiterarbeiten? Klingt für mich nicht sonderlich verlockend. Was machst Du denn da im Dunkeln so?“
„Ich sorge dafür, dass Du unermüdlich und fleißig bist.“
„Aha, wieso denn das? Wieso willst Du, dass ich unermüdlich und fleißig bin?“
„Das sage ich Dir nicht.“
„Ach komm schon, erzähl doch mal, du bekommst auch einen Keks.“
„Hm, na dann überlege ich es mir vielleicht nochmal...Ich sorge dafür, dass Du unermüdlich und fleißig bist, weil Du das willst.“
„Ich will das? Ja gut, ich will das schon, aber ich will mich auch mal erholen, irgendwann ist ja auch mal gut.“
„Ja, aber Du hast Angst vor dem Erholen.“
„Ich habe Angst vor dem Erholen? Ich glaube, du bist ein wenig verwirrt. Wieso sollte ich denn Angst davor haben, mich zu erholen??..“
„Na, weil Du dann ein wenig die Kontrolle abgeben müsstest. Und wie wir Beide wissen, gefällt dir das gar nicht gut. Denn Du hast es früher schon einmal getan, und wir Beide wissen, was dann passiert ist.“
„Das stimmt. Das fand ich garnicht gut.“
„Siehst Du? Und genau davor will ich dich beschützen.“
„Du treibst mich also immer weiter an, unermüdlich und fleißig zu sein, damit ich nicht meine Kontrolle abgeben muss? Davor willst Du mich also beschützen, verstehe ich Dich richtig?“
„Ja, so ungefähr.“
„Also das ist interessant“…
Dieses Zwiegespräch ist natürlich sehr kurz gehalten, aber ich hoffe, es kann einen Eindruck vermitteln, was ich mit dem „Personifizieren“ der Gefühle meine (es gibt in der Psychologie bestimmt auch einen anderen Fachausdruck dafür, den ich aber nicht kenne;). Wenn man mit einem solchen „Gespräch“ beginnt, ist es möglicherweise erst einmal etwas schwierig, die Angst zum Reden zu bekommen. Aber je öfter man es macht, umso redseliger wird sie;). Wir können uns einfach ein bisschen doof stellen, und immer weiter fragen. Ich frage gerne auch ganz einfach „Warum?“ (ist das so? Warum tust du das? Wie hilfst du mir damit? Wovor willst du mich beschützen? Etc.) - das ist eine gute Methode, um an tiefer sitzende, auch alte, Ängste und Glaubenssätze heran zu kommen. Denn auch hier gilt für mich: alles, was uns bewusst ist, damit können wir umgehen. Wir können unserer Angst zum Beispiel die Hand reichen, und ihr erlauben, mit uns gemeinsam unseren Weg zu gehen. Denn wenn wir sie verscheuchen wollen, wird sie nur umso stärker. Eigentlich paradox, aber: je mehr wir sie annehmen und ihr erlauben, da zu sein, umso weniger Interesse hat sie daran. Und ich habe den Eindruck, das gilt für alle unsere oft so genannten „negativen“ oder „schwierigen“ Gefühle.
Der Vorteil dieser Methode
Neben den ganz oben genannten Vorteilen bringt diese Methode, zumindest in meinem Fall, mich meist zum Lachen. Sie nimmt uns die Angst vor dem Umgang mit der Angst und zeigt uns, dass wir, vielleicht gerade beim Umgang mit ihr, mehr erreichen können wenn wir uns erlauben, ihr mit ein bisschen Humor und Kreativität zu begegnen – das nimmt ihr den Wind aus den Segeln;)).
Viel Spaß Dir beim Ausprobieren dieser Methode und
alles Liebe von
Susanne