Ist unsere große Herausforderung unsere große Chance?

 

 

Ich muss nicht meditieren, um zu meditieren.“ Diesen Satz schrieb Stefan Hiene einmal in seinen „Aufwachquickies“. Er erinnert mich an einen weiteren Ausspruch, der mir öfter mal in den Sinn kommt: „Meditation ist nicht (nur) etwas, das man tut – Meditation ist eine Haltung.“ (Ich habe leider vergessen, von wem dieser Satz ursprünglich stammt. Aber mehrere spirituelle Lehrer haben ihn sinngemäß verwendet.)

Die Aussage dieses Satzes, also eine solche „meditative Lebenshaltung“ zu entwickeln, ist wohl eine der größten Herausforderungen, wenn nicht gar die größte Herausforderung, unseres Lebens.

 

Mediation als Tagesration;)

 

Früher habe ich gerne morgens meditiert - (was heißt "früher", das passiert mir immer noch ständig;)), habe dann die Meditation „abgehakt“ und bin in meinen Tag gestartet. Wie eine Aufgabe, die man sich vornimmt zu tun, und nach deren Erledigung man wieder ganz regulär seinen Alltag erlebt und gestaltet. Vielleicht ist man ein wenig entspannter als vor der Meditation, aber an einem selbst hat das erstmal nicht viel verändert.

Erst Jahre später dämmerte es mir, dass es darum allein nicht gehen kann. Natürlich ist es schön, sich für einige Zeit ein wenig entspannter und ausgeglichener zu fühlen. Und natürlich ist es sinnvoll, sich Zeit in Ruhe mit sich selbst einzuplanen. Meditation zentriert unsere Wahrnehmung, erweitert unser Bewusstsein, unser Mitgefühl und unsere Liebesfähigkeit, entspannt uns, stärkt unser Immunsystem, usw. Es gibt tausend gute Gründe für das Meditieren.

Aber mittlerweile ahne ich, was noch alles „für uns drin“ ist, wenn wir die Meditation oder auch die Achtsamkeit, für uns als Lebenshaltung entdecken und beginnen zu leben.

 

Meditation als Lebenshaltung

 

Die Meditation als Lebenshaltung bedeutet für mich eine innere Einstellung, eine Grundlage, auf der wir unser Leben gestalten und erleben. Eine innere Haltung, wie wir dem Leben, und allem was sich darin zeigt, begegnen. Das hat für mich wahnsinnig viel damit zu tun, wie wir dem Augenblick begegnen. Wie begegnen wir einem neuen Augenblick in unserem Leben? Sind wir gestresst, weil wir so viel um die Ohren haben und erledigen müssen? Wollen wir diesen Augenblick schnell hinter uns bringen, weil er uns gerade mit Druck und schwierigen Gefühlen konfrontiert, die wir lieber gerade nicht fühlen möchten? Sehnen wir uns nach dem nächsten Augenblick, der uns Entspannung und Erholung verspricht, vielleicht nach dem Feierabend, dem Wochenende oder dem nächsten Urlaub? Ich kenne diesen Zustand nur allzu gut. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen (zumindest unserer westlichen Welt) viel Zeit ihres Lebens in einem solchen Zustand verbringen. Daran ist an sich auch nichts Schlimmes. Wir leben nun mal in einer hektischen Welt, in einer hektischen Zeit, die uns mit vielen Dingen konfrontiert und manchmal geradezu bombardiert. Das kann uns ganz schön überfordern.

Das Blöde daran ist nur, dass wir in der Zukunft nicht leben können.

Die Zukunft trifft nie ein. Denn wir leben nun mal JETZT. Ein Jetzt ist vorüber, und dann kommt wieder ein Jetzt. Und wieder eins. Und wieder eins.

 

Was bringt uns die Meditation als Lebenshaltung?

 

Natürlich ist Vorfreude auch eine schöne Freude. „Die schönste Freude“ allerdings, wie der Volksmund so sagt, ist sie für mich nicht. Für mich ist sie nicht vergleichbar mit der abgrundtiefen Freude, die ich empfinden kann, wenn es mir gelingt, voll und ganz da zu sein. Im Hier und Jetzt. In diesem Moment. Ganz gleich, was dieser Moment mir gerade bietet. Das kann eine Wahnsinns – Freude sein, Endorphinausschüttung, Glücksmoment pur. Das können Geistesblitze sein, die uns treffen, Kreativität und neue Ideen. Das kann Zufriedenheit oder einfach Ruhe sein. Das kann einer dieser seltenen Momente sein, in denen wir fühlen, was in diesem Moment, genau im Jetzt, für ein Potential liegt. Was für eine Schönheit. Was für eine Heilung. Wahnsinn!!

 

Wir sind hier, um alle Gefühle zu erleben

 

Das kann aber auch ebensogut ein Moment sein, in dem Trauer hochkommt, Angst, Wut, Zorn, Erschöpfung. Oder Verzweiflung. Die ganze Gefühlspalette. Wir sind hier, um ALLE Gefühle zu erleben. Und das kann sehr schmerzhaft sein. Das kann ätzend und doof und richtig scheisse sein.

Und dann wollen wir wieder raus aus dem Moment. Nur weg hier. Alles viel zu anstrengend.

 

Was geschieht, wenn wir in diesem Moment bleiben?

 

Aber was passiert, wenn wir es schaffen, in diesem Moment „drin“ zu bleiben – mit all unseren anstrengenden oder nervenden Gefühlen? Wenn ich es schaffe, „gegenwärtig“ zu bleiben (E. Tolle), mit meinem Bewusstsein genau hier in mir drin, meine Gefühle zu fühlen, ohne sie zu bewerten, ohne über sie nachzudenken, ohne dass ich meinen Verstand einschalte und ihn die Situation bewerten lasse? Unser Verstand kann uns oft wertvolle Dienste leisten, wenn wir es schaffen, ihn bewusst einzusetzen, um unser Handeln zu reflektieren. Aber in vielen Momenten hält er uns leider davon ab, zu fühlen was wir gerade fühlen, weil er unsere Situation sofort bewertet und rastert in „gut“ oder „schlecht“, „will ich“ oder „will ich nicht“, „sollte“, „sollte nicht“, hätte, könnte, würde, etc.. Und schwupps sind wir raus aus dem Moment. Und dafür wieder drinnen in unserer „Programmierung“ (Stefan Hiene), in unseren alten (Denk-und Verhaltens-) Mustern und unserer Konditionierung. Also dem, was wir durch unser Umfeld, Eltern, Gesellschaft, etc. gelernt haben von Klein auf. Und raus aus unseren Gefühlen. Das geht so schnell wie ein Wimpernschlag, und wir bekommen es nicht bewusst mit – weil unser Bewusstsein ja grade schon wieder mit Anderem beschäftigt ist. Was uns für einen kurzen Moment vielleicht Erleichterung verschafft (uns aber ebenso aus unserer Freude herausreißen kann), uns aber irgendwann wieder einholt. Meiner Erfahrung nach verschwinden Gefühle, die wir verdrängen, nicht so einfach. Sie kommen wieder und wieder. Und je mehr Kraft wir aufwenden, um sie abzuwehren, umso kräftiger kehren sie irgendwann zurück. Ich glaube, wir als Menschheit können uns viele viele Therapiestunden, so viel Arbeiten an uns selbst, so viel Leid und so viele Umwege ersparen, wenn wir es uns erlauben, im Moment zu sein und zu bleiben.

Wie machen wir das?

 

Wie kann ich bei mir und meinen Gefühlen bleiben?

 

Atmen, einfach atmen. Konzentriere Dich auf deinen Atem, wenn Du merkst, Dir geht die Aufmerksamkeit flöten. Atme durch die Schmerzen durch. Durch alles, was vielleicht gerade schrecklich oder schwierig ist. Ja, das verlangt Dir viel ab. Das kann manchmal eine riesengroße Anstrengung sein, von der Du meinst, sie nicht bewältigen zu können. Ja, manchmal kann das verdammt hart und scheisse sein. Ja, manchmal ist das die größte Herausforderung, die es gibt für uns.

Aber diese größte Herausforderung kann auch zu unserer größten Chance werden, wenn wir uns ihr stellen. Zu unserer größten Chance auf Heilung. Zu unserer größten Chance darauf, an unser größtes Potential zu gelangen und es zu leben. Zu unserer größten Chance, ein Leben in Freiheit, Freude, Liebe und Frieden zu leben. Zu unserer größten Chance, „das Mark des Lebens in uns aufzusaugen, ohne am Knochen zu ersticken“ (H.D. Thoreau und Der Club der toten Dichter“). Zu unserer größten Chance, der zu werden der Du wirklich bist (N.D. Walsch).

 

Atme durch all deine Gefühle hindurch. Und sieh, was dann passiert.

 

Du hast wieder Platz in Dir drinnen

 

Der Himmel in Dir drinnen lichtet sich, und die Schönheit des Augenblicks kann sich langsam entfalten – ganz egal, was vorher war. Du hast wieder Platz in Dir drinnen. Einen Platz, um mit Dir ganz verbunden zu sein. Mit Deiner Seele. Mit Deinem Herzen. Du spürst Deine Verbundenheit mit allem, was ist. Mit deinem Gegenüber. Die Ruhe nach dem Sturm bringt Dir nicht nur Mitgefühl für Dich selbst, sondern Mitgefühl auch für Dein Gegenüber und alles, was lebt. Alles, was ist. Du lebst im vollen Potential und der Schönheit dieses Moments, im vollen Potential Deiner Selbst. Alles ist möglich.

Du selbst bist ein Feld unbegrenzter Möglichkeiten.

 

Das ist wahre Freiheit für mich.

 

Freiheit von allen Konditionierungen, von aller Programmierung, die uns daran hindert, unser wahres Selbst (mit allem Potential, das es beinhaltet) zu leben.

 

Eine Freiheit, die dem Höchsten Wohle ALLER dient, weil sie mit allem verbunden ist, was lebt und da ist.

 

Und was passiert dann?

 

Und dann – ist wieder ein neuer Moment. Und wieder ein neues JETZT. Welche Situation tritt jetzt in Dein Leben? Was will jetzt gerade gelebt werden?

Atmen. Einfach atmen.:))

 

Alles Liebe von

 

Susanne <3